Hotellerie und Reiseblogs – Chancen und Grenzen der Kooperation

Hotellerie und Reiseblogs – Chancen und Grenzen der Kooperation

Für den Hotelverband Deutschland (IHA) habe ich am 09.04.2012 einen ausführlichen Gastartikel zum Thema Kooperationen zwischen Hotellerie und Reiseblogs verfasst. Diesem für beide Seiten sensiblen Thema wird zunehmende Bedeutung beigemessen, während über allem die Frage steht: Wie unbefangen kann ein Blog im Rahmen einer Kooperation bleiben?

[[ veröffentlicht vom Deutschland Hotelverband (IHA) >> zum Artikel ]]

Hotellerie und Reiseblogs – Chancen und Grenzen der KooperationWas ist überhaupt ein „Reiseblog“? Diese Frage vernehme ich hinter vorgehaltener Hand in den letzten Jahren immer wieder und so verwunderlich es klingen mag, die Frage hat ihre Berechtigung. Eine Legaldefinition wird man vergeblich suchen, selbst bei Wikipedia hat es bis dato nicht zu einer Erwähnung gereicht und doch fristen die Reiseblogs längst kein reines Schattendasein mehr. Spätestens seit der diesjährigen ITB in Berlin sind sie in aller Munde und stiegen von der belächelten Begleiterscheinung der Tourismusbranche zum begehrten Partner eines Sektors auf, der die multimedialen Ansprüche der Web 2.0 Generation erst langsam zu verstehen scheint.

Der moderne Reisende will nicht einfach Urlaub machen, er möchte vielmehr die Welt entdecken und seinen eigenen Status als Kosmopolit manifestieren. Die Anreise wird getwittert, der Check-in im Hotel bei Facebook dokumentiert und die besten Schnappschüsse landen schon kurz darauf bei den bekannten Fotodiensten – das ist sicher nicht jedermanns Geschmack und doch machen gefühlt alle mit. Bei so viel geteilten Urlaubsfreuden muss das Risiko eines Reinfalls noch stärker reduziert werden, denn es scheint fast, als hätte der Reisende eine virtuelle Verantwortung gegenüber Freunden und Bekannten in den sozialen Netzwerken. Die Reise – und sei es nur ein kurzer Wochenendtrip mit dem Auto – wird akribisch vorbereitet: Was sind die hippsten Hotels? Wo schlürft sich der abendliche Cocktail am entspanntesten? Was kann man tagsüber Tolles unternehmen und welche „Attraktion“ ist das Geld eher nicht wert?

Diese Informationen werden online konsumiert. Sie werden gesucht und sie werden gefiltert. Letztlich werden sie gefunden. Hier kommen die Reiseblogs ins Spiel! Denn die Blogger waren vor Ort, sie berichten über ihre persönlichen Eindrücke und Erlebnisse. Reiseblogs machen Lust auf Reisen und wecken das Fernweh. Sie sind aber auch die transparenteste Art der Kritik, denn Mängel werden meist schonungslos aufgedeckt und damit verbreitet.

Was ist nun also ein Reiseblog? Es ist in erster Linie eine Art Tagebuch, das in Wort, Bild und Ton die weite Welt des Reisens verarbeitet. Ganz gleich, ob mit dem Rucksack auf Weltreise, dem Handtäschchen im Luxushotel oder der Sportbag im Aktivurlaub – Reisen ist so individuell wie die Menschen selbst. Da ein solches Hobby nicht nur zeitaufwendig, sondern auch kostspielig ist, kommt jeder Reiseblogger irgendwann an den Punkt, wo er sich fragen muss: Kann ich bei meiner „Arbeit“ Kooperationen eingehen oder verliere ich dadurch meine Unbefangenheit?

Betrachten wir es zunächst einmal aus Sicht der Tourismusverbände, Unternehmen und Hoteliers: Jährlich verschlingen Werbekampagnen und Marketingmaßnahmen Millionen an Budget und doch scheint mit den Ergebnissen niemand so richtig zufrieden. Man macht gute Miene zum bösen Spiel, dabei hängt der internationale Hotelsektor längst an der Leine einiger weniger Online-Buchungsportale, die mit beachtlichen Provisionserhöhungen die Muskeln spielen lassen. Selbst die großen Hotelketten haben sich das Ruder derart aus der Hand nehmen lassen, dass man dem Treiben fast ohnmächtig zugesehen hat. Der Ausweg, da sind sich alle einig, ist eine Stärkung des Direktvertriebes – doch wie soll das vonstattengehen?

Jahrelang gewährte man selbst Startup-Unternehmen exklusive Konditionen und Preisgarantien, die über den eigenen Buchungsvertrieb nicht annähernd offeriert wurden. Die Folge: Ein Einstampfen der selbstständigen Vertriebsabwicklung und das entspannte Zurücklehnen nach dem Motto „Die machen das schon.“ Heute, einige Jahre sind ins Land gezogen, hat sich die Situation nicht grundlegend verändert: „Die“, eine handvoll Buchungsportale, machen das immer noch – nur die Provisionen pro Buchungsabschluss sind astronomisch explodiert und langsam erwachen empörte Hoteliers aus der Schockstarre und versuchen sich in Aktionismus.

Das Problem: Obwohl man selbst die Leistung letztlich liefert, haben sich die Machtverhältnisse eklatant verschoben. Hier und da hört man von Hoteliers, die ihre Verträge nach einer neuerlichen Provisionserhöhung aufkündigen. Doch so recht mag man nicht glauben, dass sie alleine Mittel und Wege heraus aus dem „Strudel“ finden.

Es fehlt der Mut, kollektiv Stärke zu demonstrieren – auch über die Grenzen möglicher Konkurrenzstellungen hinweg. Das Ziel ist nicht die Beseitigung sämtlicher Buchungs- und Vergleichsportale, sondern ein Geraderücken der angemessenen Verhandlungspositionen in diesem Tauziehen. Der Ansatz, ein gemeinschaftliches HotelWiki aufzuziehen, ist zugleich mutig und ambitioniert. Es wird sich zeigen, ob die Branche in der Lage ist, für ihre eigenen Interessen ohne falschen Stolz einzustehen – denn schon jetzt ist klar: Nur gemeinsam kann der Weg erfolgreich sein.

Zurück zu den Reisebloggern:
Ich selbst habe bei meinen Reisen in den letzten Jahren viel Unterstützung erfahren. Wertvolle Tipps von Tourismusverbänden haben mir Orte gezeigt, die ich als „normaler“ Tourist nie entdeckt hätte. Die Unterstützung durch Tourismusbehörden hat mir Türen geöffnet, die anderenfalls wohl ewiglich verschlossen geblieben wären. Fluggesellschaften haben mir Perspektiven offenbart, die sonst nur Airline-Crews bewundern dürfen. Und nicht zuletzt haben mir Hotelbetreiber und -gesellschaften Einblicke gewährt, die allenfalls für sehr viel Geld möglich erschienen. Allen gemeinsam ist eines: Diese Erlebnisse wurden mir in dem Bewusstsein angeboten, dass ich sie offen mit der Welt teile und damit die Lust auf das Reisen wecke.

Klar, man kann ein Upgrade Beeinflussung (einerseits) oder Vorteilsnahme (andererseits) nennen – letztlich muss jeder Blogger selbst verantworten, was er seinen Lesern wie berichtet. Wer seine Leistung guten Gewissens anbieten kann, hat nichts zu fürchten – das gilt für beide Seiten. Im Vordergrund sollten deshalb die großen Möglichkeiten der Zusammenarbeit stehen.

Blogs, auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen, sind schon heute einflussreicher als die klassischen Printmedien. Blogs erfreuen sich großer Beliebtheit und sind in den Suchmaschinen meist besser platziert als die offiziellen Seiten der Zielregion. Hier findet der Leser nicht nur blanken Werbetext, von „200 stilvollen Zimmer und Suiten“ oder dem „beliebten Traditionshaus in exponierter Lage“, wie man ihn ebenso gut in einer Anzeige eines Immobilienbüros entdecken könnte. Nein, Reiseblogs bringen die Emotionalität und Persönlichkeit einer jeden Reise zurück! Der Leser kann virtuell mitreisen und stellt schnell fest, ob ihm die Destination oder das spezielle Hotel zusagt. Jeder Blogger hat seinen individuellen Stil – dieser kann zu einem Hotel passen oder eben nicht. Der trendige Lifestyleblogger findet sich im bayrischen Kur-Hotel vielleicht emotional weniger heimisch als im hippen Designhotel einer Metropole. Ich kann nur jedem Hotelier und den Marketingabteilungen raten: Nehmen Sie sich die Zeit und trauen Sie sich, auf uns Blogger zuzugehen!

Mit verhältnismäßig geringen Mitteln und Kosten entfaltet der Aufenthalt eines Reisebloggers in ihrem Hotel einen beachtlichen Multiplikator-Effekt durch die virtuelle Verbreitung des Artikels, dem Teilen der Foto-Eindrücke und der bewegten Bilder. HD-Videos aus Sicht des Gastes sind für interessierte, potentielle Besucher weit mehr wert als ein monotoner Werbespot einer Agentur. Und denken Sie immer daran: Hinter jedem Blog steckt ein Mensch wie Sie und ich! Es muss nicht ein 10tägiger Gratis-Urlaub mit Vollpension sein. Auch eine exklusive Hotelführung mit Einblicken hinter die Kulissen ist für einen Reiseblogger eine interessante Artikel- und Videogrundlage, kostet im Gegenzug nur etwas Zeit und Motivation.

Bei meinem Aufenthalt in Singapur bekam ich am letzten Tag eine umfassende Führung durch das Marina Bay Sands Hotel – vom Skypark über den Spa-Bereich bis zur Suite-Besichtigung. Die Leser lieben das Video! Oder wie wäre es mit der Bereitstellung eines Übernachtungsgutscheins für ein Blog-Gewinnspiel? Ich selbst habe eine solche Aktion gerade erst durchgeführt und alle Beteiligten, vom Hotelier bis zum Teilnehmer, waren begeistert. Und letztlich standen sowohl der Blog als auch die beteiligten Kooperationspartner in einem sehr positiven Fokus und konnten ihren Bekanntheits -sowie Beliebtheitsgrad auch im Hinblick auf den Direktvertrieb stark steigern.

Die genauen Details sind natürlich Verhandlungssache: Ob man nun den Blogger bittet auf die eigene Hotel-Webseite mit Buchungsmöglichkeit zu verlinken (statt auf große Buchungsportale) oder einen speziellen Rabattcode für die Blogleser bei einer telefonischen Buchung bereitstellt (z.B. „Nennen Sie bei Ihrer Reservierung das Codewort ‚Urlaubmachen365‘ für X% Rabatt auf den Zimmerpreis“) – alles eine Frage der Kreativität. Blogger sind ausgebuffte Schreiberlinge und häufig auch einfallsreiche Marketingstrategen – vergleichen Sie die Kosten einer Zusammenarbeit doch mal mit einer simplen Zeitungsanzeige oder gar einem Radiospot. Das Web vergisst nichts, der Blogartikel über Ihr Hotel ist für alle Ewigkeiten im Netz zu finden. Und glauben Sie mir: er wird gefunden!

Leider passiert es auch heute noch, dass ich in der Vorbereitungsphase meiner Reisen Hotels anschreibe und nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit frage, aber letztlich trotz Nachfragen nicht mal eine Antwort erhalte. Dabei geht es nicht etwa um Gratis-Übernachtungen, sondern beispielsweise die Möglichkeit zu einer vereinbarten Uhrzeit ein paar Fotos vom Wellnessbereich zu machen, ein kurzes Gespräch mit dem Manager zu führen oder mal eben einen kurzen Blick in eine Suite zu werfen.

Das klingt vielleicht für einige Hoteliers marginal – vielleicht denken Sie aber nochmal darüber nach. In diesem Sinne: Auf eine erfolgreiche, vertrauensvolle und faire Zusammenarbeit!

Ihr
Alexander Mirschel

Alex
Alex

Alex Mirschel hat FINEST PLACES bereits 2010 gegründet und viele Jahre unter dem Namen Niedblog zu einem der einflussreichsten Luxus-Reiseblogs in Europa entwickelt. Seit dem Rebranding 2022 ist er unter FINEST PLACES unterwegs. Der Frankfurter Diplom-Verwaltungswirt war ursprünglich im öffentlichen Recht tätig und hielt einen Lehrauftrag als Dozent für Soziologie. Heute ist er selbstständiger Berater und Netzwerkpartner von Realizing Progress. Der Digital-Experte entwickelt Strategien, Kommunikationskonzepte und begleitet Veränderungsprozesse von Unternehmen und Destinationen.

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3 Kommentare

  1. 29. August 2016 / 12:37

    Hallo Alex,

    super Artikel. Ich frage mich jetzt wo der Artikel ja schon einige Jahre alt ist, wie sieht das heute aus, hat sich das Bild gewandelt ? Ich habe schon den Eindruck dass mehr Hotels sich dem Thema gegenüber geöffnet haben. Ein update zum Artikel jetzt 4 jahre danach wäre vllt. interessant 🙂

    VG
    Alexandra & Peter

  2. 13. Februar 2013 / 12:37

    Habe den Artikel in der IHA gelesen, sehr spannend und informativ.

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